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Schatten-Fest
Zur Malerei von Klaus Benes

Vita

Klaus Benes (geb. 1963) war nie auf einer Akademie oder Kunstschule. Seinen einzigartigen Stil entwickelte er selbständig, unabhängig von allen gängigen Kunstströmungen. Schon als Kind und Jugendlicher schuf Klaus Benes zahlreiche Bilder und Zeichnungen. Er machte nach dem Abitur ein neunmonatiges Praktikum im Atelier der Grafik-Designerin Erika Binz-Blanke (Baden-Baden), wo er auch von Kunstprofessor Walter Schneider instruiert wurde, und erlernte dort die technischen Grundlagen der Malerei. Dann aber studierte er in München Sinologie und Betriebswirtschaftslehre. Anschließend war Klaus Benes lange Zeit als Geschäftsführer für Niederlassungen deutscher Firmen in Shanghai tätig.
Nach der Rückkehr nach Baden-Baden im Jahr 2003 gab es verschiedene berufliche Optionen. 2004 begann Klaus Benes wieder zu malen, doch erst der Umzug der Familie nach Baiersbronn im Schwarzwald Ende 2006 brachte eine wirklich intensive Auseinandersetzung mit der Malerei. Seit 2009 ist Klaus Benes ausschließlich als freier Künstler tätig.

Portrait des Lebens

Schutz und Gefangenschaft, Schönheit und Tod, Kampf und Lust: Mit großer suggestiver Kraft feiert Klaus Benes in seinen Arbeiten die Gleichzeitigkeit daseinsbedingter Gegensätze. Oft korrespondieren sie mit den vom Künstler eingesetzten Malmitteln, leben von dem Kontrast zwischen Linie und Farbe, sowie von formalen Brüchen.
Vor allem der Mensch liefert Klaus Benes ein unerschöpfliches Ideenrepertoire. Dabei bedient sich der Künstler keiner mystischen Verklärung oder rätselhaften Inszenierung. Er lotet seine Motive durch die subtile Sichtbarmachung der Verletzbarkeit aus, die aus der Dualität von Werden und Vergehen resultiert.
Die Arbeiten evozieren gleichzeitig Faszination und Unbehagen und sind jedes Mal, losgelöst vom Sujet, auch ein übergeordnetes Portrait des Lebens.
Sein herausragendes Talent erlaubt es Klaus Benes, sich den grundlegenden Wesenszügen der Kunst zu widmen. Aus dieser mit einer gewissen Isolation gekoppelten Intensität entstehen erstaunlich hochwertige Arbeiten.

Synthese von Malerei und Zeichnung

Entstehung der Bilder

Besonders charakteristisch für die Arbeiten von Klaus Benes ist die kontrastreiche Verbindung von Zeichnung und Malerei, die Kombination von Kohle, Öl und Kreide: Das Schwarz des Kohlestifts markiert einerseits die Linie, wird anderseits aber auch als „Farbe“ eingesetzt, und ist in einer virtuosen Mischung oft beides zugleich. Malerei und Zeichnung treten in einen regen Dialog und tauschen gelegentlich die Rollen.
Mit dem Kohlestift entwirft Klaus Benes die Grundzüge der Komposition. Die schwarze Linie umreißt die Figuren, definiert Raum und Tiefe, kennzeichnet Schattenpartien und ist – mit großen temperamentvollen Bewegungen – immer Ausdruck per se.
Die komplexe Symbiose von Linie und Farbe kündigt sich bereits in den Arbeiten von 2004 an: In dem Portrait „Esther“ (2004) vermischt sich weiße Ölfarbe mit den Pigmenten der Kohle und lässt einen zarten, grauen Schleier entstehen.
In diesem Bereich wagt sich die Malerei in die Zeichnung vor und verändert dadurch ihr Aussehen und ihre Konsistenz.
Dies Spannungsverhältnis formiert sich in jedem Bild neu: Die schwarz-roten Verästelungen im Geweih des tödlich getroffenen „Hirsch III“ (2007) züngeln dramatisch zum oberen Bildrand und unterstreichen allein durch ihre dunkel-lodernde Farbkraft (aus Kohle und Öl) das tragische Schicksal des Tieres. Eine weiße Farbspur fließt von oben direkt zum geschlossenen Auge der hingestreckten Kreatur. Der Schmerzensausdruck wird mit der intendierten „Verletzung“ der Darstellung, mit diesem „L`art pour l`art“-Effekt noch gesteigert.
Ganze Flächen beherrscht das Schwarz in einer der jüngsten Arbeiten, „O.T.“ von 2008, das direkt auf der Homepage der Website zu sehen ist. Man sieht nur den Rock und die hübschen Beine einer hängenden oder schwebenden Frau. Die Hände baumeln schlaff neben den Hüften, wodurch sich schnell die Assoziation eines Selbstmords einstellt. Die Anwesenheit des Todes, die durch das grobe Dunkel von Rock und Händen unterstrichen wird, steht im Gegensatz zu den eleganten Strümpfen und Schuhen der geheimnisvollen Figur. Zwar finden sich auch in den hellgelb leuchtenden Beinen morbide Schatten. Doch heben sie hier eher die berückende Zartheit der Person hervor. Selten wird der Tod in der Kunst mit so viel Schönheit zelebriert, selten ein solcher Zustand zwischen Hängen und Schweben geschaffen, der das Sterben und die Auferstehung praktisch im gleichen Atemzug thematisiert.

In anderen aktuellen Arbeiten wird der Kohlestift häufig von bunten Farbtönen dominiert. Dabei löst sich die Farbe immer mehr von der Zeichnung und beginnt diese in abstrakter Manier zu übermalen. Mit ihrer Temperatur und Leuchtkraft geht die Farbe dabei ganz eigene atmosphärische Wege.
In „Paris Hilton III“ (2008) erkennt man eine weibliche Gestalt mit Augenbinde. Die Umrisse der Figur sind nur ansatzweise auszumachen. Vertikale Elemente im Hintergrund werden mit bunten Farbstreifen verklammert, die von hinten quer über das Gesicht der Blindgemachten verlaufen. Die Prominente wirkt wie eine Gefangene in diesem Farbgitter, traumatisiert von der eigenen, ungeheuerlichen Popularität. Die Arbeit lässt allerdings eine ganze Palette von Interpretationen zu.
Durch die freie und offene Malweise und die komplexe Verschränkung von Farbe und Linie entziehen sich die Bildwelten von Klaus Benes jeder narrativen Eindeutigkeit. Wie alle bedeutenden, modernen Kunstwerke sind sie Auslöser und Projektionsfläche für die Gedanken und Gefühle des Betrachters.

Koordinaten der Schönheit / Definition des Raums

Auch die Komposition und der Bildaufbau sind alles andere als naturalistisch aufgefasst. Räume und Landschaften werden durch Fluchtlinien oder eine Tiefenstaffelung mit verschiedenen Farbebenen angedeutet, oft ist es jedoch auch nur die perspektivische Ausformulierung eines Motivs, die eine dreidimensionale Struktur festlegt. Dabei folgen Bewegung und Haltung der Figuren ganz eigenen Gesetzen.
Der erotische, weibliche Körper von „Akt I“ (2008), schiebt sich – wie auf einer Bühne - ungeniert ins Blickfeld. Allerdings irritiert die laszive Stellung der Beine durch anatomische Ungenauigkeiten und hinterfragt in einer Art surrealen Verrenkung die Koordinaten von Proportion und Schönheit. Anmut und Entstellung erzeugen hier einen sonderbaren, „emotionalen“ Raum.
In vielen Werken wird das angedeutete Interieur oder die Landschaft auch von lasierenden Farbflächen oder kräftigen Pinselstreifen überlagert. Nie gibt es in den Gemälden einen wirklich spezifischen Ort, so dass die Darstellung eine übergeordnete, transzendente Qualität annimmt
Julia Behrens (M.A. Kunstgeschichte) ist freie Kunstjournalistin/Autorin und lebt in Heidelberg